Afrika Besuch
Drewer. Wenn man Dominikaner-Schwester Julia Lenze sieht, in ihrer Ruhe und Schlichtheit, würde sie niemand auf Anhieb mit Afrika in Verbindung bringen, oder gar an Bettler, Aids-Waisen, Dürreperioden oder gefährliche Tiere denken.
Eine Frau, die weiĂź wofĂĽr sie lebt: Vor 54 Jahren ging sie nach Afrika, um Menschen zu helfen, die auf der StraĂźe leben, hungern oder alles in ihrem Leben verloren haben.
Was ist eigentlich Missionsarbeit heute? Geschichtlich gesehen, bedeutet dieser Begriff, die Verbreitung einer religiösen Lehre, und Menschen —vorwiegend in anderen Ländern — zu bekehren. Die heutige Arbeit hat mit dem Bild im Kopf nicht mehr viel zu tun: Mit viel Mut, jeder Menge Engagement und einer großen Portion Menschlichkeit unterstützen Menschen wie Schwester Julia hilfsbedürftige Erwachsene und Kinder, wobei der Glaube als Motivation dient.
„Wir sind mehr Sozialarbeiter, als Missionsarbeiter. Worte sind nicht ausschlaggebend, ein Gefühl für den Glauben zu vermitteln, wir lassen Taten sprechen, denn ,Liebe deinen Nächsten'!”, so Schwester Julia.
Die Missionsstationen unterscheiden sich; es gibt Altenheime und Schulen oder medizinische Einrichtungen wie Krankenhäuser und Versorgungslager. Schwester Julia arbeitet in Simbabwe bei Harare mit dem Schwerpunkt Schule. Dort gibt es eine Auffangstation für Waisen, deren Eltern gestorben sind, oder die ihre Kinder ausgesetzt haben. Sie werden medizinisch versorgt, erhalten Verpflegung und liebevolle Betreuung durch rund um die Uhr anwesende Schwestern. Die älteren Kinder können die Schule besuchen, die nach englischem Standard sogar das Abitur anbietet.
Hier wird unterteilt in Internatsschüler, die in der Mission leben, und nach Tagesschülern, die für Bildung auch mal 15 km Hin- und Rückweg in Kauf nehmen und zwischen umliegenden Dörfern und der Schule pendeln.
Dabei erschweren die schwache Infrastruktur Simbabwes und die innerpolitischen Schwierigkeiten eine reibungslose Umsetzung der Hilfe.
Holperige unbefestigte Straßen, bis zu einem halben Meter tiefe Schlaglöcher, sowie der bekannte Machtkampf der zwei stärksten Politiker im Land sorgen für Inflationen, Gewalt, Streiks, Chancenlosigkeit und Auswanderung der gebildeten Schicht.
Viele Probleme
Neben den — auch innenpolitischen — Problemen kommen lange Dürrezeiten, die die Essensrationen begrenzen, ganze Dörfer und vor allem die Alten und Jungen dahin schwinden lassen und das Leben am Existenzminimum weiter erschweren.
Die Erledigung kleinerer, aber vielfältiger Aufgaben zum Erhalt der Menschlichkeit und für die Gemeinschaft, im Tausch gegen Kleidung, Mais, Wolldecken und Trockenmilch, beschäftigen die Menschen, die jeden Morgen am Tor der Mission auf Hilfe warten.
Wie sehr sich Schwester Julia für die Hilfsbedürftigen einsetzt, zeigt ein Einsatz für Kleidungspakete aus Deutschland, die der Zoll festhielt. Mit nahezu 20 Menschen aus der Mission, 12 Kindern und drei Erwachsenen, marschierte Schwester Julia schließlich in die Büroräume des Zolls und brachte den lebenden Beweis für die Dringlichkeit der Ausgabe der Altkleider, die man ihr vorher, wegen Formalitäten um den Bedarf und unsinnige Zahlungen verwehrt hatte.
Schwester Julia sieht sich als Wegweiser, das Schwesternleben als Berufung — auch wenn man ihr in Afrika schon nach dem Leben trachtete. Nach Deutschland kommt sie nur alle vier Jahre für drei Monate. Dann stehen Ärztetermine und Besuche von Freunden an, sowie die Organisation von Kleidung und ähnlichem, bei dem sie viel Unterstützung erhält.
Auch wenn Schwester Julia von Anhängern der diktatorischen Regierung aufgrund eines Missverständnisses um eine politische Gesinnung beinahe beseitigt worden wäre, ihr eine Schlange 85 km von der nächsten Stadt entfernt nach dem Leben trachtete und der Ort ihrer Beerdigung schon geplant war und sie nicht jedem Menschen helfen kann, würde sie nicht zögern jederzeit wieder nach Afrika zu gehen, um mit Mut und Menschlichkeit so vielen Menschen wie möglich ein besseres Leben zu bieten.
„Wenn man Liebe gibt, bekommt man sie zurück. Ganz bestimmt!”, sagt die mittlerweile 74-Jährige und lächelt dabei ein wenig.
Marcella Heeringa
Bericht Der Westen, vom 13.08.2009 |